Studiofotografie mal anders ᐅ Raus aus dem Keller
Viele Fotografen machen ihre ersten Versuche in der Studiofotografie in dunklen Keller- oder Dachbodenstudios. Auch ich habe so angefangen. Ich kann mich noch gut an die Freude über meine ersten Studiobilder erinnern: schöne Farben, alles knackig scharf und so viel Licht! Doch die Freude verblasste als ich merkte, dass alle Bilder gleich aussahen. Ich stellte fest: Ein Studio muss kein dunkles Loch sein. In diesem Beitrag zeige ich dir, wie du abseits der herkömmlichen Studiofotografie eindrucksvolle Bilder erschaffen kannst.
Inhaltsverzeichnis
1. Finde deine Location!
Raus aus dem Keller
Studiofotografie muss nicht unbedingt in einem dunklen Loch mit viel Lichttechnik und bunten Papierhintergründen entstehen. Das Studio kann auch hell sein und mit vielen Fenstern. Wie eine Wohnung sollte es aussehen, natürlich und gemütlich. Eigentlich muss ein Studio gar kein „Studio“ sein. Studiofotografie könnte in jedem Haus und jeder Wohnung produziert werden.
Ein Ort, viele Locations
Wer mit offenen Augen durch eine Wohnung oder ein Haus geht, kann an jeder Ecke und hinter jeder Tür eine Shooting-Location finden. Das Stiegenhaus, eine Fensterbank, der Türstock oder der Balkon. Überall spannende Fleckchen, um zu shooten. Das Model platziert, das Studiolicht eingerichtet und los geht’s… doch was ist mit dem vielen Licht?
2. Die Frage nach dem Licht
Neue Lichtkonzepte
Die verschiedenen Plätzchen in einem offenen Studio oder einer Wohnung sind schon mal ein großer Schritt in Richtung spannende und abwechslungsreiche Studiofotografie. Doch die Vollausleuchtung mit Studioblitzen macht auch hier schnell jede Natürlichkeit zunichte. Was kannst du also tun? Weniger Licht ist keine Lösung: Das wird dunkler, bleibt aber langweilig. Für lebendige Studiofotografie müssen also neue Lichtkonzepte her, denn lebendige Bilder brauchen auch ein abwechslungsreiches Licht.
Lebendige Studiofotos brauchen abwechslungsreiches Licht.
Natürliches Licht und Studiolicht mischen
Wir haben schon von großen Fenstern und Fensterbänken gesprochen. Auch Balkone eignen sich hervorragend, um mit natürlichem Licht zu arbeiten. Oft ergibt sich dadurch aber das Problem, dass wir gegen die Lichtquelle, also das Fenster oder die Umgebung hinter dem Balkon fotografieren, und so von unserem Model nur eine schwarze Silhouette übrig bleibt. Hier kommt das Studiolicht zum Einsatz. Gerade oder auch schräg vor dem Model platziert, kannst du mit einer Softbox, mit einer Oktobox oder mit einem Durchlichtschirm das Model aufhellen und so das eigentliche Motiv in den Vordergrund rücken.
Dabei aber ruhig Mut zu weniger Licht. Zu viel würde das Gegenlicht wieder „verschlucken“ und das Bild schnell fad erscheinen lassen. Ich mag es sehr, wenn dabei die Sonne direkt von hinten in das Bild scheint und so in die Bildkomposition eingebaut werden kann. Durch das natürliche Gegenlicht und das zurückhaltende Aufhelllicht von vorne wird die Kontur des Models schön betont. Trotzdem erkennt man noch Details wie ihr Gesicht und das Muster des Kleides.
Die Sonne als Hauptlicht
Auch andersrum wird ein Schuh daraus, nämlich mit der Sonne als Hauptlicht und einem künstlichen Gegenlicht. Natürliches Licht, besonders am Abend, ist einfach schön. Es vermittelt ein angenehm warmes Gefühl, schmeichelt der Haut und lässt die Augen strahlen. Deshalb verwundert es nicht, dass wir unsere Modelle gerne darin ablichten. Allzu oft leidet aber, gerade Indoor, der Hintergrund darunter. Hinter dem schön beleuchteten Model ist es finster und die Umrisse, besonders bei den Haaren, verschwinden. Hier hilft künstliches Gegenlicht, zum Beispiel mit einem Spotaufsatz. Damit bringen wir wieder Leben in den Hintergrund und verleihen unserem Model eine strahlende Kontur.
Wenn die Sonne mal nicht scheint
Wenn man in der Studiofotografie mit natürlichem Licht arbeitet, besteht die Gefahr, dass uns die Sonne im Stich lässt. Doch kein Grund zur Panik. Auch hier können uns technische Mittel retten, Reflektor-schirme in Gold etwa. Geschickt positioniert, kann man mit ihnen das Sonnenlicht hervorragend imitieren.
Wie blitzt man richtig?
Wichtig ist, dass man das Model nicht direkt anblitzt. Das würde zu einem starken Orangestich der Haut führen. Am besten ist es, das Licht indirekt über eine Wand oder ein Fenster auf das Motiv zu richten. Gerade bei einem Fenster kann man hier den Sonnenschein von außen gut simulieren.
Hier ist ein goldener Reflektorschirm als „künstliche Sonne“ von links vorne auf das Fenster gerichtet. (@Roland Scharf)
3. Mit Effekten spielen
Pimp my light
Eines ist ja mittlerweile klar: Unsere außergewöhnliche Studiofotografie steht und fällt mit dem Licht. Natürlich, künstlich oder gemischt, das Licht macht zu einem großen Teil die Stimmung des Bildes aus. Was aber, wenn uns das „normale“ Licht mal zu langweilig ist? Dann wird es wohl Zeit, es ein wenig aufzumotzen. Dazu müssen wir es brechen. Nein, nicht wie die tapferen Marines in Full Metall Jacket: Wir sind lieb zu unserem Licht.
Wir nutzen die Physik, um es etwas spannender zu machen. Konkret nutzen wir ein Glasprisma. Wer in der Schule aufgepasst hat weiß, dass man damit das Licht in sein Farbspektrum aufbrechen kann. Damit zaubern wir also Regenbogenfarben und das ganz ohne Regen. Im richtigen Winkel zwischen das Model und die Lichtquelle gehalten, können wir so farbige Lichteffekte auf unser Motiv projizieren. Da das Model dabei meist in Richtung der Lichtquelle, also zum Beispiel in die Sonne schaut, strahlen zusätzlich die Augen besonders schön. Ich liebe diesen Effekt.
Hast du’s gewusst?
Mein Tipp für außergewöhnliche Studiofotografie? Experimentiere mit einem Glasprisma! Im richtigen Winkel lassen sich tolle Farbeffekte auf das Modell projizieren.
Ein Glasprisma kann aber noch mehr
Es muss aber nicht immer ein Regenbogen sein. Spielt man mit dem Glasprisma direkt vor der Linse, bekommt man ganz unterschiedliche Lichteffekte. Manchmal spiegelt sich das Model selbst, dann ein Fenster und dann sieht man wieder helle Lichtstrahlen. Und da ist auch wieder ein Regenbogen, nicht so kräftig wie im vorherigen Beispiel, aber doch deutlich zu erkennen. Je nach Lichteinfall, Winkel des Prismas und Abstand zur Linse lassen sich so extrem spannende Lichteffekte erzeugen und glaub mir, jeder ist ein Unikat. Wenn du also durch den Sucher einen Effekt siehst, der dir gefällt, drückt sofort ab. Du wirst ihn kaum ein zweites Mal zu sehen bekommen.
Es werde Schatten
Das arme Licht. Mal ist es zu viel, mal zu wenig und jetzt wollen wir es ganz verbannen? Nein, ganz natürlich nicht. Denn ohne Licht kein Schatten, und auch den können wir nutzen, um beeindruckende Fotos zu machen. Weniger ist mehr und das Wenige muss gut sitzen, dann können wir unsere Fotos mit spannenden Schatten aufpolieren. Je weicher das Licht, desto weicher auch der Schatten. Was uns bei Portraits hilft, um eine glatte Haut zu zaubern und harte Konturen abzuschwächen, hilft uns hier nur wenig.
Für knackige Schatten brauchen wir hartes Licht, und das bekommen wir mit einem Spotaufsatz oder mit einem Standard-Reflektoraufsatz. Schon mit dem Einstelllicht können wir den Schatten gut simulieren und so das Model und den Studioblitz richtig positionieren. Achte dabei darauf, dass sowohl die Pose des Models als auch der Schatten eine schöne Form haben. Verzerrte, unförmige Schatten können so eine Komposition schnell zerstören.
4. Auf den Punkt gebracht
Studiofotografie muss nicht eintönig, langweilig oder fantasielos sein. Wage dich an verschiedene Plätze. Egal ob in einem schönen Studio, in einem Haus oder einer Wohnung: Mit Kreativität und offenen Augen finden sich überall großartige Shootinglocations. Doch egal wie schön das Fleckchen ist, an dem du shootest, das Licht macht einen großen Teil der Bildwirkung aus. Viel Licht, wenig Licht. Natürlich, künstlich oder gepimpt: Deiner Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt und vielleicht helfen dir meine Tipps ja ein wenig weiter.
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