Fokus-Stacking / Fokus-Bracketing Anleitung (Makrofotografie)
Wer sich ausgiebiger mit der Makrofotografie beschäftigt, wird irgendwann über die Begriffe Fokus-Stacking und Fokus-Bracketing stolpern. Aber was ist das überhaupt? Wie geht man mit diesen Techniken um? Und wie bringen sie deine Makrofotografie voran? In diesem Artikel möchte ich meine Erfahrungen und Tipps zu diesem Thema mit dir teilen – natürlich unterstützt durch einige Bildbeispiele.
Zunächst möchte ich erklären, was es mit den Begriffen Fokus-Stacking und Fokus-Bracketing auf sich hat.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist Fokus-Bracketing überhaupt?
- Was ist Fokus-Stacking?
- Was bringt mir das Fokus-Stacking?
- Welche Ausrüstung brauche ich für Fokus-Stacking und Fokus-Bracketing?
- Was muss ich außerdem beachten?
- Wie führe ich ein Fokus-Bracketing durch?
- Wie füge ich die Einzelaufnahmen zusammen?
- Fokus-Stacking und Fokus-Bracketing: Ein Fazit
Was ist Fokus-Bracketing überhaupt?
Ein Bracketing ist nichts weiter als eine Reihe an Aufnahmen desselben Motivs mit unterschiedlichen Einstellungen: Wenn du zum Beispiel eine Belichtungsreihe erstellst, um später ein HDR-Foto zu erzeugen oder einfach den maximalen Dynamikumfang einfangen willst. Beim Fokus-Bracketing unterscheidet sich die Reihe dagegen nicht durch die unterschiedliche Belichtung, sondern durch einen von Bild zu Bild leicht versetzten Fokuspunkt. Im Ergebnis hast du eine bestimmte Anzahl an Bildern desselben Motivs, in denen der Fokuspunkt wie in einem Daumenkino von vorn nach hinten (oder umgekehrt) wandert.
Was ist Fokus-Stacking?
Das Fokus-Stacking ist das, was du mit diesen Bildern hinterher machen kannst. Du „stapelst“ sie. In diesem Stapel werden alle Bilder durch eine Software zu einem Foto verrechnet. Du musst das um Himmels Willen nicht manuell machen – kannst es aber! Aus jedem Einzelbild wird lediglich ein Teil mit der Fokusebene übernommen. Im Ergebnis hast du eine Aufnahme mit größerem Schärfebereich, als es in einem Makro mit einer Einzelaufnahme möglich wäre. Dies kann zu faszinierenden Fotos führen.
Was bringt mir das Fokus-Stacking?
Grundsätzlich kannst du die Methode des Fokus-Stacking und Fokus-Bracketing natürlich auch in anderen Bereichen, wie bspw. der Landschaftsfotografie verwenden. Ziel ist immer, möglichst viel Schärfe ins Bild zu bekommen. Warum blende ich dann nicht einfach ab, fragst du dich? In der Landschaftsfotografie mache ich das meistens auch, bei der Makrofotografie wird das aber schon schwieriger.
Um im extremen Makrobereich viel Schärfe ins Bild zu bekommen, müsste ich sehr stark abblenden, womit ich mir zwei Probleme ins Bild hole:
- Erstens wird bei stark geschlossener Blende das Licht gebeugt – Beugungsunschärfe nennt man das. Je geschlossener die Blende, desto sichtbarer der Effekt: Das Bild wird unscharf, als hätte man einen Weichzeichner verwendet.
- Zweitens sind in Makrofotografien butterweiche Vorder- und Hintergründe (das Bokeh) ein wichtiges Gestaltungsmittel, die dir helfen, das eigentliche Motiv besser herauszuarbeiten. Starkes Abblenden sorgt für ein sehr unruhiges Bokeh, was so gut wie nie schön ist. Fokus-Stacking löst beide Probleme: Die Schärfe bleibt herausragend, wo sie sein soll und das Bokeh wird nicht beeinträchtig.
Welche Ausrüstung brauche ich für Fokus-Stacking und Fokus-Bracketing?
Zuerst einmal benötigst du eine Kamera plus Makroobjektiv. Solltest du kein Makroobjektiv besitzen, kannst du dir auch erst mal mit Makro-Zwischenringen oder einer Nah-Linse bzw. einem Vorsatzobjektiv (z.B. eine Raynox DCR-0250) behelfen. Du kannst auch alles miteinander kombinieren, um extrem nah heranzukommen und fast schon mikroskopische Aufnahmen zu kreieren. Dann kommst du um das Fokus-Stacking schon gar nicht mehr herum, denn je stärker du vergrößert, desto winziger wird die Fokusebene auf dem abzubildenden Motiv.
Daneben brauchst du je nach Kamera und Anspruch ein Stativ und ggf. einen Makroschlitten. Ich sage je nach Kamera, weil es Geräte gibt, die können ein Fokus-Bracketing automatisch erstellen. Auch der Makroschlitten ist optional. Er lässt dich aber präziser arbeiten, falls du manuell fokussieren musst oder willst, statt auf Automatiken zu setzen.
Was muss ich außerdem beachten?
Wenn du rausgehst und die Technik draußen anwenden willst, achte auf Windstille. Wind ist in der Makrofotografie ohnehin immer der Feind. Besonders wenn du später deine Bilderreihe stacken willst, dürfen in den Einzelaufnahmen keine großen Unterschiede in Form von Bewegungen erkennbar sein. Andernfalls könnte das Zusammenrechnen scheitern oder aber du hast hässliche „Geistereffekte“ in der zusammengesetzten Aufnahmen, die du nur mit viel Mühe oder gar nicht aus dem Bild entfernt bekommst.
Beim Fotografieren von Insekten funktioniert das alles zudem nur, wenn sie sich nicht bewegen. Das ist zum Beispiel ganz früh morgens der Fall, wenn sie noch in ihrer Starre ausharren und auf die Wärme des Tages warten.
Generell gilt hier:
Störe die Tiere nicht! Wenn du dich mit deiner riesigen Kamera näherst, fühlen sie sich schnell und zu Recht bedroht. Wenn du merkst, dass sie die Flucht antreten, verfolge die Tierchen nicht unnötig. Schau dich lieber nach einem anderen Motiv um – die Zeit für ein Fokus-Stacking werden dir die Insekten jetzt ohnehin nicht mehr lassen.
Wie führe ich ein Fokus-Bracketing durch?
Du hast dein Motiv an einem windstillen Tag gefunden oder probierst das alles eh drinnen aus? Sehr schön. Für die Art der Durchführung kommt es jetzt doch einmal auf die Technik an: Es gibt, wie gesagt, Kameras, die einen Großteil der Arbeit übernehmen. Du sagst der Kamera lediglich, wie viele Einzelaufnahmen du haben möchtest und wie weit die Kamera den Fokus nach jeder Aufnahme versetzen soll. Danach musst du nur noch auf den Punkt im Motiv fokussieren, der dir am nächsten ist, dann einmal auslösen (idealerweise mit Fernauslöser, um nichts zu verwackeln). Die Kamera erledigt den Rest.
Fokus-Bracketing ohne Stativ
Mit einigen Kameras wie der Olympus OM-D E-M1 Mark II (und neuere) kriegst du eine Reihe auch ohne Stativ hin. Sogar das Zusammenrechnen, also das Stacking, übernimmt die Kamera bei Bedarf und liefert das fertige Bildergebnis als JPG frei Haus und ohne weitere Software. Je nach Lichtsituation und der Anzahl der Einzelaufnahmen dauert ein automatisches Fokus-Bracketing wenige Sekunden oder auch schon mal eine Minute und länger.
Fokus-Bracketing mit Stativ
Keine Angst, auch mit anderen Kameras ist das möglich. Es bedeutet aber mehr Arbeit.
- Du befestigst die Kamera auf einem Stativ und stellst sie komplett manuell ein, damit sich Weißabgleich, Belichtungszeit und Co. nicht ändern.
- Jetzt suchst du auch hier den Punkt im Motiv, der dir am nächsten ist und fokussierst manuell auf diesen Punkt. Mache ein Foto und schiebe den Fokus ein winziges Stück weiter nach hinten. Hier hilft übrigens die Aktivierung der Funktion Fokus-Lupe, falls deine Kamera das kann.
- Mache jetzt ein weiteres Foto und schiebe den Fokus wieder ein Stück nach hinten. Das wiederholst du, bis du alle Bereiche, die du später scharf abgebildet haben möchtet, einmal aufgenommen wurden.
Wie schon erwähnt, kannst du optional mit einem Makroschlitten arbeiten. Hier änderst du den Fokus durch das Verschieben der kompletten Kamera, während die Fokus-Einstellung am Objektiv unberührt bleibt. Die manuelle Methode hat insgesamt den Nachteil, dass du deutlich langsamer bist, als wenn das eine Automatik erledigt. Sollte dein Motiv „flüchtig“ sein, kann es eben passieren, dass es irgendwann keine Lust mehr auf dich hat und verschwindet.
Wie füge ich die Einzelaufnahmen zusammen?
Für das Zusammenfügen der Aufnahmen benötigst du meist eine Software. Manchmal reicht mir schon das Ergebnis, das meine Kamera automatisch für mich errechnen kann. Dann mache ich gar nichts weiter, außer abschließende Tonwertkorrekturen. Reicht das nicht, dann kommt die Software ins Spiel. Fokus-Stacking ist – wer hätte es gedacht – mit Adobe Photoshop möglich. Es gibt aber auch Spezialsoftware wie Helicon Focus. Beides hat Vor- und Nachteile.
Zusammenfügen mit Photoshop
Wenn du Photoshop im Einsatz habt, kannst du so vorgehen:
- Wähle in Photoshop über das Menü „Datei“ -> „Automatisieren“ -> „Photomerge“. Im folgenden Dialogfenster kannst du die Einzelbilder, die du verrechnen willst, auswählen. Hast du sie eh schon alle geöffnet, wähle einfach „Geöffnete Dateien hinzufügen“. Dann wählst du als Layout „Auto“ aus, deaktivierst alle Häkchen und klickst auf „OK“.
- Photoshop versucht nun, alle Bilder exakt passend übereinanderzulegen. Wenn das geklappt hat, dann wähle rechts im Ebenen-Bereich alle Ebenen aus und klicke dann im Menü auf „Bearbeiten“ -> „Ebenen automatisch überblenden“. Im Dialog wählst du „Bilder stapeln“ und lässt „Nahtlose Töne und Farben“ aktiviert. Klicke auf „OK“ und lasse Photoshop den Rest machen.
Vorteil dieser Methode: Wenn du Photoshop eh schon hast, dann musst du nichts kaufen. Das war es aber auch schon. Nachteil: Photoshop kann nicht so richtig gut stacken. Ich hatte viele Fälle, da hat das toll geklappt, aber in einigen Fällen sind die Programmroutinen komplett durcheinander-gekommen und bereits das Übereinanderlegen der Ebenen ist kläglich gescheitert.
Außerdem kannst du hinterher lediglich eine TIF-Datei exportieren, du hast also für die Weiterbearbeitung keine RAW-Datei mit maximaler Bildinformation mehr. Außerdem sind TIF-Dateien wirklich riesig! Last but not least: Du bist bei der Anzahl der Einzelaufnahmen eingeschränkt. Versuche lieber nicht, ein gestacktes Foto aus 100 Einzelaufnahmen und mehr mit Photoshop zu erstellen.
Zusammenfügen mit Helicon Focus (Pro)
Mit Helicon Focus ist das Erstellen eines gestakten Bildes fast noch einfacher als mit Photoshop:
- Helicon Focus arbeitet mit Raw-Dateien, allerdings nicht mit den nativen der Kamera, sondern mit DNG-Dateien. Mit Hilfe des kostenlosen Adobe DNG Converter wandle ich alle Fotos, die ich stacken möchte, vorher in einem Rutsch ins DNG-Format um. Helicon kann das zwar auch, ruft dann aber für jedes einzelne Bild den Adobe DNG Converter auf, was zusätzlich Zeit verschlingt.
- Per Drag & Drop lassen sich die DNG-Dateien einfach ins geöffnete Helicon-Focus ziehen. Das Programm braucht einen Moment, dann hast du alle geöffneten Dateien in deinem Stapel.
- Jetzt einfach die gewünschte Render-Methode wählen (meist tut es der voreingestellte Wert, wie ich finde, ansonsten bietet sich das Experimentieren an) und auf „Rendern“ klicken. Nun kannst du zuschauen, wie Helicon Focus sein Werk verrichtet. Je nach Anzahl der Fotos dauert das wenige Minuten oder auch schon mal eine Stunde – kommt wohl auf den Rechner an.
- Nach Fertigstellung des gestackten Fotos kannst du noch nachbearbeiten. Manchmal gab es ja doch kleinere Bewegungen und falls das Programm hier Mist gebaut habt, kannst du einfach eines der Einzelfotos aus dem Stapel am rechten Bildrand auswählen, in dem der betroffene Bereich scharf abgebildet ist und die Korrekturen ins fertige Bild „malen“.
- Anschließend klickst du auf Speichern und exportierst dir eine DNG-Datei für die Weiterbearbeitung.
Vorteile von Helicon Focus (Pro)
Der Vorteil dieser Methode ergibt sich schon aus dem beschriebenen Vorgehen: Das Programm beherrscht unterschiedliche Methoden für unterschiedliche Motivsituationen. Zudem hast du zumindest in der Pro-Version einen Werkzeugkasten für feine Nachkorrekturen, um bspw. Bildartefakte aufgrund von Bewegungen im Motiv zu retuschieren. Außerdem erzeugt Helicon Focus ebenfalls nur in der Pro-Version eine DNG-Datei als Ausgabeformat – eine (fast) echte Rohdatei, die für weiterführende Bearbeitung, bspw. in Lightroom, bestens geeignet ist. Zudemt: Helicon kann deutlich besser stacken als Photoshop und wird auch mit Extremsituationen gut fertig. Nachteil ist der Preis von rund 200 Euro für die Pro-Version, die sich aber immerhin 30 Tage lang kostenlos und ohne Einschränkungen testen lässt.
Fokus-Stacking und Fokus-Bracketing: Ein Fazit
Ich hoffe, ich konnte das Prinzip des Fokus-Stacking ein wenig vermitteln und du hast Lust bekommen, es auch einmal auszuprobieren. Mir jedenfalls macht diese Art der Fotografie große Freude, weil das Ergebnis mich jedes Mal wieder in Erstaunen versetzt.
Aber würde ich jetzt nur noch mit Fokus-Stacking und Fokus-Bracketing arbeiten? Nein, natürlich nicht. Erstens ist die Methode sehr aufwendig und je nach Anzahl der Einzelaufnahmen zeit-verschlingend, zweitens ist man damit natürlich sehr unflexibel, weil plötzliche Motivbewegungen die Aufnahme komplett ruinieren können und je nach Kamera immer viel Zubehör mitgeschleppt werden muss. Makrofotografie ist so oder so ein großer Spaß. Das Stacking ermöglicht aber eine ganz neue Sichtweise aufs Motiv und zeigt nicht nur, was dem menschlichen Auge entgeht, sondern auch, was technisch heutzutage möglich ist.
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