Verzeichnung | Perspektivische und optische Verzerrung erklärt

In der Fotografie gibt es zwei Arten von Verzeichnungen, oft fälschlicherweise auch Verzerrungen genannt. Die optische Verzerrung und die perspektivische Verzerrung. Beide führen zu einer Art von Verformung deiner Bilder – manche etwas mehr und andere etwas weniger. In diesem Beitrag lernst du, wie diese Verzeichnungen entstehen, wie du sie unterscheiden und vermeiden kannst.

Objektiv Verzerrung und Verzeichnung erklärt.
Eine Verzerrung resp. Verzeichnung erklärt eine Art Verformung der Bilder.

Während die optische Verzerrung durch das optische Design der Kameralinsen verursacht wird (und daher oft als „Verzerrung der Linse“ bezeichnet wird, wird die perspektivische Verzerrung durch die Position des Motivs innerhalb des Bildes verursacht. Es ist wichtig, dass du zwischen diesen beiden Arten von Verzeichnungen unterscheiden kannst. Wir erklären dir in diesem Beitrag jede Art der Verzeichnung im Detail. Dabei zeigen wir dir drei verschiedene Arten optischer Verzeichnungen. Zum Schluss werden wir dir die geradlinige vs. krummlinige Verzeichnung von Weitwinkelobjektiven aufzeigen. Sind die meisten Bezeichnungen für dich noch Fremdwörter? Am Schluss dieses Beitrags wird das garantiert nicht mehr der Fall sein – versprochen!

Optische Verzeichnung

Diese Verzeichnung wird allgemein als optische Abweichung bezeichnet. Sie verformt und verbiegt physikalisch gerade Linien und lässt sie in Bildern kurvig erscheinen. Deshalb werden solche Verzerrungen auch allgemein als „krummlinig“ bezeichnet. Optische Verzerrungen entstehen als Folge des optischen Designs, wenn spezielle Linsen-Elemente zur Reduzierung von sphärischen und anderen Abweichungen verwendet werden. Kurz gesagt, die optische Verzeichnung ist ein Fehler im Objektiv.

Es gibt drei bekannte Arten von optischen Verzeichnungen:

  • tonnenförmig
  • kissenförmig
  • Schnurrbart

Wir werden dir in diesem Beitrag alle drei Arten der Verzeichnung einzeln im Detail aufzeigen.

Keine Verzeichnung – ein perfektes Objektiv

Zuerst aber ein Beispiel eines Objektivs ohne Verzeichnung:

Das perfekte Objektiv keine Verzeichnung
Das perfekte Objektiv hat keine Verzeichnung.

Derart „perfekte“ Objektive sind sehr selten, da die meisten Objektive unter mindestens einer der unten definierten Verzerrungen leidet. Sehr gute Linsen haben Elemente, die Verzerrungen, die für unsere Augen nicht wahrnehmbar sind, deutlich reduzieren. Viele Zoomobjektive, insbesondere Superzooms wie das Nikon 18-200mm VR, leiden bei unterschiedlichen Brennweiten unter verschiedenen Arten von Verzeichnungen wie Tubus und Nadelkissen.

Tonnenförmige Verzeichnung

Wenn gerade Linien tonnenförmig nach innen gekrümmt sind, nennt man diese Art von Abweichung die tonnenförmige Verzeichnung. Die tonnenförmige Verzeichnung ist typischerweise bei den meisten Weitwinkel-Festbrennweite-Objektiven und vielen Zoomobjektiven mit relativ kurzen Brennweiten vorhanden. Bei Weitwinkelobjektiven tritt zum Beispiel eine tonnenförmige Verzeichnung auf, weil das Sichtfeld des Objektivs viel grösser ist, als die Grösse des Bildsensors.  Deswegen muss „gequetscht“ werden. Dadurch werden gerade Linien sichtbar nach innen gebogen, insbesondere zu den äussersten Kanten des Bildes hin.

objektiv tonnenförmige verzeichnung verzerrung
Tonnenförmige Verzeichnung.

Beachte, dass die Linien gerade in der Mitte des Bildes erscheinen und sich erst von der Mitte weg anfangen zu biegen. Das liegt daran, dass das Bild in der optischen Achse (in der Mitte der Linse) gleich ist, aber seine Vergrösserung zu den Ecken hin abnimmt. Die Stärke der Verzerrung kann je nach Entfernung zwischen Kamera und Motiv variieren. Selbst Standard-50mm-Festbrennweite-Objektive können im Nahbereich potenziell tonnenförmige Verzeichnungen aufweisen. Durch den Einsatz von kompensierenden optischen Elementen kannst du diese Verzeichnung deutlich verringern. Aber eine vollständige Beseitigung solcher Verzerrungen ist nahezu unmöglich. Einige Objektive wie das Nikon 14-24mm f/2,8G haben eine Reihe solcher Elemente zur Kompensation. Sie erhöhen aber das Gewicht als auch die Grösse des Objektivs stark.

Die Korrektur einer tonnenförmigen Verzeichnung ist normalerweise ein ziemlich einfacher Prozess. Bildbearbeitungsprogramme wie Lightroom oder Photoshop können diese Verzerrungen leicht korrigieren – solange das Objektiv ein unterstützendes Profil in der Datenbank hat. Da jedes Objektiv anders ist, müssen solche Profildaten sorgfältig getestet und erstellt werden.

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Kissenförmige Verzeichnung

Die kissenförmige Verzeichnung ist das genaue Gegenteil der tonnenförmigen Verzeichnung. Die geraden Linien werden vom Zentrum aus nach aussen hin gekrümmt. Diese Art der Verzeichnung ist bei Teleobjektiven häufig zu beobachten und entsteht durch die von der optischen Achse aus zu den Rändern des Bildes hin zunehmende Vergrösserung. Diesmal ist das Sichtfeld kleiner als die Grösse des Bildsensors und muss daher gedehnt werden. Dadurch scheinen in den Ecken gerade Linien nach oben gezogen zu werden.

Kissenförmige Verzeichnung Verzerrung
Kissenförmige Verzeichnung

Teure Super-Tele-Festbrennweiten haben Elemente, die den Effekt deutlich reduzieren können. Die kissenförmige Verzerrung kann bei Objektiven der Verbraucherklasse sehr stark sein. Sogar Profi-Zoom-Objektive wie das Nikon 80-400mm VR leiden unter der kissenförmigen Verzerrung. Die meisten Zoomobjektive, die von Weitwinkel- zu Standard- oder Telebrennweiten gehen, typischerweise bei den kürzesten Brennweiten, leiden unter der tonnenförmigen Verzeichnung. Zum langen Ende hin gehen sie aber allmählich in die kissenförmige Verzeichnung über.

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Ein gutes Beispiel dafür ist das Nikon 18-300mm VR Objektiv, das bei 18mm mit einer starken tonnenförmigen Verzeichnung beginnt. Bei 28mm wechselt die Kamera aber schnell in eine kissenförmige Verzeichnung und bleibt dabei bis 300mm. Auch diese Verzeichnung kannst du in einem Bildbearbeitungsprogramm wie Lightroom und Photoshop einfach korrigieren. Die in Lightroom und Camera-RAW integrierten Linsen können diese Verzerrung mit einem einzigen Klick vollständig eliminieren.

Die kissenförmige Verzeichnung ist besonders bei Zoomobjektiven eine sehr häufige Abweichung

Schnurrbart Verzeichnung

Die fieseste Verzeichnungsart ist die Schnurrbart-Verzerrung. Sie wird auch als „wellige“ Verzerrung bezeichnet und ist im Grunde eine Kombination aus der tonnenförmigen und der kissenförmigen Verzeichnung. Gerade Linien erscheinen nach innen zur Mitte des Rahmens hin gekrümmt, um sich dann an den äussersten Ecken nach aussen zu krümmen.

Objektiv Schnurrbart Moustache Verzeichnung Verzerrung
Schnurrbart / Moustache Verzeichnung

Diese Art von Verzeichnung ist komplex. Du könntest sie potenziell beheben, das erfordert aber eine spezielle Software. Du kannst nicht einfach die integrierten Werkzeuge von Lightroom oder Photoshop verwenden. Wenn du versuchen würdest dabei die tonnenförmige Verzeichnung zu korrigieren, wirst du am Ende die Ecken viel mehr krümmen. Und wenn du es bei der kissenförmigen Verzeichnung versuchst, wirst du daraus resultierend zur Mitte des Bildes hin noch mehr Krümmungen erhalten.

Eine Reihe ältere Objektive, sowie einige moderne Objektive haben eine Schnurrbartverzeichnung. Ein gutes Beispiel dafür ist das Nikon 18-35mm f/3,5-4,5D Objektiv. Es weist mit Abstand die stärkste Schnurrbartverzeichnung auf.

Geradlinige vs. krummlinige Verzeichnung

Einige Objektive sind optisch geradlinig konstruiert, wie zum Beispiel:

Sie ergeben gerade Linien ohne sie zu verbiegen. Andere Objektive wie Fisheye-Objektive sind krummlinig konstruiert. Geradlinige Linsen strecken im Allgemeinen die Objekte im Bild, um sie gerade erscheinen zu lassen. Gekrümmte hingegen dehnen nichts, aber sie verzerren das Bild stark, indem sie gerade Linien krümmen. Wir haben dir ein paar Beispiel zum Vergleich:

Beispiel

Beispielfoto Vergleich geradlinig vs. krummlinig:

Geradlinige vs Krummlinige Verzerrung

Wie du sehen kannst, erscheint der Zug auf dem gekrümmten Muster rechts unnatürlich – das liegt daran, dass er mit einem Fisheye-Objektiv fotografiert wurde. Das linke Bild ist das, was man mit einer geradlinigen Linse sehen würde – der Zug sieht gerade und natürlich aus. Die geradlinige und gekrümmte Verzerrung der Linse, wird typischerweise nur bei Weitwinkelobjektiven angewendet.

Perspektivische Verzerrung

Die zweite Art der Verzeichnung ist die perspektivische Verzerrung. Im Gegensatz zur optischen Verzeichnung, hat sie nichts mit der Optik des Objektivs zu tun und ist daher auch kein Fehler der Linse. Wenn du einen dreidimensionalen Raum in ein zweidimensionales Bild projizierst, kann das Motiv, wenn es zu nah an der Kamera ist, im Vergleich zu den Objekten im Hintergrund unverhältnismässig gross oder verzerrt erscheinen. Dies ist ein ganz normaler Vorgang und etwas, das du leicht mit deinen eigenen Augen sehen kannst. Wenn du zum Beispiel eine Person mit einem Ultra-Weitwinkel-Objektiv aus der Nähe fotografierst, können die Nase, Augen und Lippen unrealistisch gross erscheinen, während die Ohren extrem klein aussehen oder sogar ganz aus dem Bild verschwinden.

Perspektivische Verzerrung Brennweite Vergleich
Perspektivische Verzerrung durch Brennweite? (Quelle Youtube)

Extreme Nahaufnahmen lassen das Gesicht einer Person überproportional erscheinen. Ein leichtes Wegbewegen und Zentrieren des Kopfes der Person hat das Problem gelöst, aber schau dir auch den Körper an. Die Schultern werden im Vergleich zum Rest des Körpers unverhältnismässig gross wirken. Die Augen, Nase und Lippen wirken stark vergrössert, während die Ohren verkümmert sind. Und genau das ist das Resultat, das viele Fotografen herausfordert. Das Verhältnis von der Brennweite zur perspektivischer Verzeichnung – das ist ausschlaggebend.

Alles wegen der Brennweite?

Viele Fotografen meinen, dass man eine längere Brennweite verwenden sollte, um Personen zu fotografieren. Ansonsten würden sie durch die kurze Brennweite des Objektivs verzerrt werden. Leider ist die Aussage nicht ganz richtig. Objektive haben nämlich keine Perspektive. Im Gegensatz zu den Fischaugenobjektiven haben alle Objektive die gleiche Perspektive – es ist die Entfernung zwischen Kamera und Motiv, die die Perspektive bestimmt und nicht die Brennweite. Es ist eine Illusion von einer unterschiedlichen Perspektive. Denn bei langen Brennweiten musst du weiter vom Motiv entfernt stehen, um sie auf die gleiche Weise festzuhalten zu können.

Würdest du in der gleichen Entfernung stehen, dann hätte das Motiv genau gleich ausgesehen. Wenn du also ein 50mm und ein 85mm Objektiv nimmst, gibt es keinen Unterschied in der Perspektive zwischen den beiden, solange du an der gleichen Stelle stehst und das Motiv in der gleichen Entfernung zur Kamera hältst. Mit dem 50mm-Objektiv würde das Motiv aufgrund der kürzeren Brennweite/des grösseren Sichtfeldes sicherlich kleiner erscheinen, aber die Perspektive und die Proportionen wären bei beiden gleich. Der Punkt bei Objektiven mit einer längeren Brennweite ist also die Möglichkeit das Motiv im Rahmen zu vergrössern, wobei die normale Perspektive erhalten bleibt.

Beispiele der perspektivischen Verzerrung

Das Auto sieht völlig verzerrt aus, da der Fotograf sehr nahe dran stand und es mit einem Weitwinkelobjektiv fotografiert hat. Der linke Teil des Autos ist überproportional gross. Das Auto nimmt den grössten Teil des Rahmens ein und alles im Hintergrund sieht relativ klein aus. Der Scheinwerfer zum Beispiel wirkt fast gleich gross wie die rechte Vordertüre.

blaues auto parkiert
Diese Aufnahme mit einem Weitwinkel-Objektiv hat eine perspektivische Verzerrung (@Jose Carbajal, unsplash.com)

In diesem Bild einer Innenstadt sieht das Gebäude im Vordergrund praktisch gleich hoch aus wie das Gebäude im Hintergrund, was jedoch deutlich mehr Stockwerke hat. Und das obwohl das vordere Gebäude in Echt eigentlich viel kleiner ist. Da der Fotograf ein Weitwinkelobjektiv verwendet hat, konnte er das vordere Haus viel grösser zeigen, als es in Wirklichkeit ist.

innenstadt mit hochhäuser
Durch die perspektivische Verzeichnung sehen alle Gebäude praktisch gleich hoch aus (@Chapman Chow, unsplash.com)

Diese beiden Beispiele sind als Weitwinkel- respektive Ausdehnungsverzerrung bekannt. Die andere Art der perspektivischen Verzerrung ist das Gegenteil der Weitwinkel Verzerrung und wird Teleobjektiv- oder Kompressionsverzerrung genannt. Die Kompressionsverzerrung ist nur mit Teleobjektiven möglich, da sie den Fotografen dazu zwingt, einen grossen Abstand zum Motiv einzuhalten. Das führt im Wesentlichen dazu, dass sehr weit entfernte Objekte grösser wirken als sie im Vergleich zur normalen Perspektive wären.

Erfahre mehr über die Städtefotografie in diesem Beitrag

Wie du siehst, gibt es unterschiedliche Arten, die du als Verzeichnung deuten kannst. Versuche dich an den Beispielen wie oben aufgeführt und finde so die wesentlichen Unterschiede der Verzerrungen. Wie waren deine Erfahrungen? Hast du eine Vorliebe für eine ganz bestimmte Verzeichnung? Teile dich uns mit unten im Kommentarfeld!

1 Gedanken und Fragen

  1. Ralf Krumm

    Danke für die detaillierte Information. Eine Frage habe ich hierzu bezüglich Objektiven. Ist ein Fisheye-Objektiv eventuell einem Ultraweitwinkel Objektiv vorzuziehen? Ich habe gelesen, dass wenn Photos, die mit einem Fisheye geschossen werden und anschliessend entzerrt werden (ich persönlich mag den typischen Fisheye-Effekt nicht), diese gleichwertig, wenn nicht sogar besser aussehen.

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