Available Light – 8 Lichtarten erkennen und richtig fotografieren

Das Fotografieren mit Available Light (verfügbarem Licht) ist eine besondere Herausforderung. Umgebungslicht hat so viele verschiedene Ausprägungen und Wirkungen! Ich verwende aus persönlicher Überzeugung keinen Blitz für meine Fotos und erkläre dir in diesem Artikel, wie du mit Available Light das Beste aus deiner Kamera holst.

Available Light Fotografie
Fotografieren mit verfügbarem und natürlichem Licht (@matthew_t_rader unsplash)

Was ist Available Light?

Lass uns erst einmal die Definitionen festlegen. Als Strassenfotograf ist meine bevorzugte Lichtquelle das Sonnenlicht – konkret also natürliches Licht. Zu Available Light und Umgebungslicht zählen jedoch jegliche Lichtquellen, die der Fotograf nicht selbst installiert hat. Glühbirnen, Kerzen, Feuer oder Neonlicht sind nur einige Beispiele für solche Lichtquellen.

Jeder Fotograf, der sich weiterentwickeln will, muss sich früher oder später mit den verschiedenen Lichtarten beschäftigen. Und wenn er es einmal getan hat, muss er es immer und immer wieder tun. Available Light bietet grossartige Möglichkeiten! Es geht also darum, dass du ein Gespür dafür entwickelst, wie du eine bestimmte Lichtart am besten nutzt, um noch bessere Fotos zu machen.

Der Mitbegründer von Kodak sagte einst:

Licht macht Fotos. Erfasse es, schätze es, liebe es. Aber vor allem, erkenne Licht. Wenn du es vollständig kennst und wertschätzt, kennst du den Schlüssel der FotografieGeorge Eastman

Richtiger Umgang mit verschiedenen Lichtarten

Je nach Lichtquelle und Einfallwinkel unterscheidet sich die Qualität des Lichts. Schauen wir uns diese Unterschiede und Effekte einmal genauer an.

Mildes Sonnenlicht

Am Ende und Anfang des Tages ist die Sonne wärmer und matter als tagsüber. Die Schatten sind länger und ebenfalls matt. Diese Randzeiten der Sonne bezeichnet man in der Fotografie als die Goldene oder Blaue Stunde. Viele Fotografen schwören auf diese besonderen Lichtverhältnisse während dem Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Stelle den Weißabgleich in deiner Kamera auf „sonnig“ ein, wenn am Horizont diese wunderschöne Kombination von Orange- und Rottönen sichtbar ist. Wenn du den Weißabgleich auf Auto stellst, wird die Kamera automatisch ausgleichen und übermäßig warme Farbtöne aufnehmen.

Available Light warme Farben blaue Stunde
Warme Farbtöne bei Sonnen-Auf oder Untergang (@alice02 unsplash)

Während des Tages und vor allem am Mittag, wenn die Sonne am höchsten Punkt steht, ist das Licht strahlend und grell. Diese Tageszeit bringt einige Herausforderungen mit sich. Weil das Licht steil einfällt, ergeben sich hohe Kontraste und ungewollte Schatten, z.B. bei den Augenhöhlen. Das Licht ist zudem stark und bläulich, was die eigentlichen Farben stark verblassen lässt. Generell gibt es keinen guten Grund, während der Mittagszeit zu fotografieren. Einfach, weil dir die Lichtverhältnisse alles andere als die Karten spielen. Falls du es doch versuchen möchtest, brauchst du einen Reflektor oder einen Ort, an dem das Licht natürlich auf das Motiv reflektiert wird (z.B. von Sand oder Wasser).

Indirektes Sonnenlicht

Auch indirektes Sonnenlicht hat seine ganz spezifischen Eigenheiten. Schatten ist indirektes Sonnenlicht. Aber auch reflektiertes Sonnenlicht, Seitenbelichtung durch ein Fester, oder das blasse zerstreute graue Licht bei bewölktem Himmel.

Available Light Schatten
Schatten, das indirekte Sonnenlicht.

Available Light durch künstliches Licht

Abgesehen vom Licht des Nachthimmels bleibt uns für die Fotografie bei schlechten Verhältnissen noch die künstliche Belichtung. Es ist aber nicht weniger herausfordernd damit zu arbeiten. Künstliche Belichtung des Zielobjektes kann in der Helligkeit ein breites Spektrum liefern. Vom einfachen Kerzenlicht bis zur Beleuchtung im Fußballstadion, von einer Installation am Boden oder Über-Kopf, ist vieles möglich.

Fotografieren mit künstlicher Lichtquelle
Künstliche Lichtquellen können besser positioniert werden – Farbtemperatur eher höher einstellen (@freestocks unsplash)

Es steht also eine Vielfalt an Belichtungsmöglichkeiten zur Verfügung. Der Vorteil an künstlichem Licht? Es kann in vielen Fällen manuell umpositioniert und ausgerichtet werden.

Direkte Sonneneinstrahlung

Ein Porträt bei direkter Sonneneinstrahlung zu schießen ist nicht einfach. Das Licht ist leuchtend und grell. Die Schatten äquivalent dazu. Als Strassenfotograf habe ich keine Möglichkeit, Objekte zu verändern. Ich muss also die Kontraste zwischen grellen und dunklen Zonen abwägen – vor allem bei Gesichtern. Die Kleidung des Motivs hat einen Einfluss auf die Belichtung. Dunkle Materialien verlieren schnell ihre Struktur im Schatten. Ebenso sollten die Hintergründe wohlüberlegt sein. Eine geringe Menge an strahlenden Himmel im Bild kann zum Beispiel massiv ablenken, wenn der Rest des Bildes eine ausgeglichene Belichtung hat.

Das nächste Bild zeigt was passiert, wenn man bei direkter Sonneneinstrahlung den Hintergrund und die Farbtemperatur nicht richtig wählt. Die Person wirkt blass und hat zu wenig Kontrast zum Hintergrund. Lies hier unseren Guide zur Farbtemperatur und wie du sie richtig einstellst.

Fotografieren mit direkter Sonneneinstrahlung
Schlechtes Beispiel eines Fotos mit direkter Sonneneinstrahlung

Wenn du das Model bewegen kannst, können die Auswirkungen der direkten Sonnenbestrahlung entschärft werden. Platziere die Person vor einer farbigen Wand oder an einem anderen Ort, bei welchem der Boden das Sonnenlicht reflektiert und damit mehr in den Vordergrund rückt.

Offener Schatten

Bereiche mit offenen Schatten bieten hervorragende Möglichkeiten, um Höhenunterschiede hervorzuheben. Schattige und beleuchtete Flächen kommen hier im Bild besonders gut zum Ausdruck. Bäume sind die besten Kandidaten für teil-beschattete Bereiche, aber auch offene Türschwellen und Gänge eignen sich gut.

Teilbeschattung fotografieren
Fotografieren in teil-beschatteten Gängen (@hartmuttobies unsplash)

Seitenlicht und Fensterlicht

Wenn man das Licht benutzt, das von der Seite kommt, wie offene Fenster oder geringe Sonnenstrahlen am Ende des Tages kann man auch Bilder mit einer besonderen Tiefe machen. Das Seitenlicht wird die Feinheiten, insbes. Texturen besonders zum Ausdruck bringen. Die dynamischen Abstufungen von Licht zur Dunkelheit ist bei diesen Szenen meist vermindert. Achte auf den Kontrast, den du bei einer horizontalen Fläche bekommst, ganz anders als bei Überkopf-Belichtung.

Fotografieren mit Seitenlicht von Fenster
Natürliches Seiten-Licht durch ein Fenster (@natali333 unsplash)

Diffuses Licht und Farbtemperatur

Diffuses Licht erkennst du daran, dass es keine oder nur eine gering erkennbare Richtung hat. Wie soll man sich oder das Motiv also ausrichten? Leider führt diffuses Licht durch einen schattierten Bereich oder einem bewölkten Himmel zu Problemen mit dem Weissabgleich. Zudem fehlt es dem Bild an Tiefe. Ich lasse mich davon nicht stören, aber diffuses Licht ist immer wieder eine Herausforderung.

Available Light Diffuses Licht fotografieren
Blässe – Bei wolkigem Himmel und diffusem Licht ist es schwierig, dem Bild Tiefe und Dynamik zu geben (@brookecagle unsplash)

Spricht man von Available Light, so bezieht man sich im Allgemeinen auf verfügbares Licht von der Sonne. Wenn du in Umgebungen mit künstlichem Licht arbeitest, wirst du aber mit ähnlichen schwierigen Faktoren konfrontiert. Sie können jedoch noch verstärkt auftreten. Unnatürliches Licht erschwert häufig die richtige Belichtung. Die Bilder wirken schnell farblos und blass.

Bei einer Veranstaltung, bei der ich als Fotograf gebucht wurde, war alles Licht auf Augenhöhe und gegen die Wände gerichtet. Bei diesen Verhältnissen konnte ich nichts als Umrisse fotografieren. Ein ganz schlimmer Abend für mich, da ich die Lichtquellen nicht anders ausrichten konnte.

Die richtige Kamera-Ausrüstung

Unabhängig von der Qualität und Intensität des Lichts sind reflektierende Oberflächen hilfreich, um das Beste aus den Umgebungsbedingungen herauszuholen. Für geplante Shootings – insbesondere mit Models – eignen sich metallische Reflektoren hervorragend, um das Licht auf ein Motiv zu leiten. Sogar Naturfotografen tragen faltbare Reflektorscheiben mit sich herum, um die Silhouetteneffekte bei Aufnahmen gegen die Sonne zu reduzieren (hier gibts weitere tolle Naturfotografie Tipps). Keinen Reflektor oder alternative Lichtquelle zur Hand? Dann empfehle ich dir weiße Wände, saubere Böden oder Glasflächen als „natürliche“ Reflektoren zu verwenden.

Situationen mit wenig Available Light stellen Fotografen vor eine Herausforderung. In diesen Momenten ist es wichtig, über die richtige Ausrüstung zu verfügen. Ein gut belichtetes Bild zu schießen benötigt exakt soviel Licht, wie dir Sensor aufnehmen kann. Statische Motive ermöglichen eine längere Belichtung. Events, Konzerte, Partys und Hochzeiten müssen schnell fotografiert werden, da sich die Szenerie rasend schnell ändert. Das bedeutet einen schnelle Verschlusszeit und allenfalls eine Feineinstellung mit dem ISO-Wert. Die Blende soll aber so weit offen sein wie möglich, damit in der kurzen Zeit viel Licht auf den Sensor fällt. Ich empfehle dir ein Objektiv, mit welchem du die Blende bis f/2 öffnen kannst – für sehr unterbelichtete Szenen. Wenn du aus der Hand fotografierst, musst du allenfalls die ISO noch weiter hochschrauben, um Unschärfe durch Verwacklung zu verhindern.

Es frustriert mich schrecklich, wenn so viele Leute andauernd in ihr Smartphone starren. Aber das gute daran ist, dass ihre Gesichter von den Geräten immer optimal beleuchtet werden. Es ist genau diese Art von Beobachtung, die dir hilft, das Licht dort zu finden, wo du es benötigst.

Available Light Kamera-Einstellungen

Wie sollte deine Kamera am besten einstellt sein, um all diesen Lichtverhältnissen und Lichtquellen gerecht zu werden? Starten wir mit dem Kamera-Modus.

Kamera-Modus

Die Belichtung wird beeinflusst von der Blende, Verschlusszeit und ISO. Der Bildsensor und all die Elektronik in deiner Kamera werden diese drei Faktoren im Automatik-Modus aufeinander abstimmen, um eine ausgeglichene Szene zu schießen. Tatsächlich bist aber du das eigentliche Einstellungsprogramm; deine Fähigkeit den Lichteinfall und Schatten zu erkennen, Reflexionspunkte und die Bereiche von dunklem Schatten zu sehen, übersteigen die Fähigkeiten deiner Kamera bei weitem. Fotografiere also im manuellen Modus – nur diese wird dich fotografisch weiter bringen.

Belichtungsmessung

Meine Kamera ist auf Spotmessung eingestellt. Das bedeutet, ich wähle einen kleinen Bereich der Szene aus, an welchem die Belichtung gemessen werden soll.

  • Bei strahlendem Sonnenlicht kann ich durch die Belichtungsmessung an einem hellen Kleiderstück den Effekt der Sonnenstrahlen reduzieren.
  • An einer Veranstaltung werde ich wahrscheinlich in Bodennähe messen, um die Gesamtbelichtung zu erhöhen.
  • In seltenen Fällen und in Situationen mit ausgeglichenem Licht messe ich gegen das Gesicht des Motivs.
  • Mit der Zeit bekommst du Übung mit dem Ablesen von Lichtwerten und der Belichtungsmessung und kannst so die Kontrollen relativ rasch verinnerlichen.

Automatischer Weissabgleich

Verlass dich nie komplett auf den automatischen Weissabgleich. Wenn du im RAW-Format fotografierst, kannst du später vom vollen Dynamikumfang deiner Kamera profitieren. Auch wenn der Weißabgleich immer irgendwie gemacht wird, solltest du ihn dennoch bewusst einstellen. Speichere deine benutzerdefinierten Weißabgleiche und setze sie gezielt in ähnlichen Situationen wieder ein.

Schwarz-Weiß in RAW fotografieren

Mit vorhandenem Licht fotografieren schwarz weiss
Fotografiere in RAW und schwarz-weiss, um dunkle/helle Stellen zu erkennen und zu korrigieren (@resolvxd unsplash)

Eine Available Light Empfehlung zum Schluss. Fotografiere in RAW und setze deine Kamera in den Schwarz/Weiss Modus. Wenn du dir die Bilder dann monochrom ansiehst, kannst du helle und dunkle stellen viel schneller und besser erkennen als in Farbe und prompt reagieren. Später kannst du das Bild bei der Entwicklung deiner RAW Datei wieder auf die Originalfarbe setzen. Allenfalls gefällt die das Bild aber dann doch besser in schwarz-weiss, was mir auch schon oft passiert ist. Übrigens: erfahre hier, warum wir Schwarz-Weiss Bild ganz anders wahrnehmen. Oder lies unseren kompletten Guide zur SW-Fotografie, wirklich sehr empfehlenswert.

Es gibt so viele Situationen, in welcher einzig und allein die Praxis den Weg weist. Sei frei deine Fragen zu Available Light unten in den Kommentaren zu stellen. Ich antworte garantiert.

pixolum Autor und Fotograf pixolum
Über den Autor

Patrick ist der Gründer von pixolum und versorgt dich seit 2012 mit spannendem Fotografie-Stoff. Neben seiner Leidenschaft für Kameras & Design unterstützt er kreative Köpfe beim Aufbau ihres Business. Er trinkt jeden Tag 7 Kaffees aus der pixolum Tasse, ist absoluter SEO Nerd und beginnt mehr, als er zu Ende bringen kann.

2 Gedanken und Fragen

  1. Tina

    Hallo, ich finde diese Tipps so praktisch und so gut erklärt. Ich habe trotzdem eine Frage. Wie funktioniert das mit dem Ablesen von Lichtwerten und der Belichtungsmessung? Ich komme damit gar nicht klar. wo lese ich diese Werte ab? Ist es diese Skala unten am Monitor? Aber da stehen doch keine Werte!

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  2. Frankie

    Im obigen Text lese ich: „Generell gibt es keinen guten Grund, während der Mittagszeit zu fotografieren.“

    Diesen Satz kann ich, so wie er da steht, gar nicht unterschreiben.

    Man kann grundsätzlich alles in der grellen Mittagssonne (sagen wir mal so zwischen 11:00 und 16:00 Uhr) fotografieren, was man sonst auch fotografiert.

    Die Herangehensweise ist halt etwas anders.

    Man muss wissen, dass man in der Mittagssonne sehr starke Lichtkontraste hat, die man sich als Fotograf sehr gut zunutze machen kann, indem man beispielsweise Teile eines Motivs im Schatten „absaufen“ lässt, um markante Teile hervorzuheben, oder um  Dramatik ins Bild zu bringen, wenn man z. B. einen abgeholzten Wald, der die Trockenheit und den Käferbefall der letzten Jahre nicht überlebt hat, fotografiert.

    Würde man diesen Wald in der goldenen oder blauen Stunde fotografieren, würde das Bild an Dramatik verlieren und es hätte keine Aussagekraft.

    Das Foto könnte schlimmstenfalls schön aussehen.

    Ich weiß, es ist nicht einfach dieses brutale Licht zu händeln, schon gar nicht, wenn die Motive unbeweglich sind, z. B. Gebäude, parkende Oldtimer etc..

    Portraits dagegen sind etwas einfacher, weil man das Model so ins Licht rücken kann, wie man es braucht.

    Hat man einmal ein Gespür dafür entwickelt, was mit diesem Licht alles möglich ist, hat man als Fotograf zwischen goldener und blauer Stunde keine Pause mehr.

    Probiert es aus diese harten Lichtkontraste als Stilmittel einzusetzen und Ihr werdet sehen, dass fotografieren bei jedem Licht Spaß macht, wenn man weiß wie man es nutzt.

    Folgendes Equipment empfehle ich:
    irgendeine Kamera.

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