Faszinierende Landschaftsfotos ᐅ Von der Szene zum fertigen Bild
Du stehst beim Spaziergang plötzlich vor einer Landschaft, die dir den Atem verschlägt. Sofort zückst du deine Kamera und fängst diese Szene ein. Später schaust du dir dein Landschaftsfoto an und findest nichts mehr von dem Gefühl wieder, das du in der Szene verspürt hattest. Du merkst: Die Szene ist nicht das fertige Foto. In diesem Beitrag erfährst du, was neben dem Beherrschen der Kameratechnik nötig ist, um faszinierende Landschaftsfotos zu schießen.
Wie kommst du von einer eindrucksvollen Szene zum fertigen Landschaftsfoto, das dich immer noch begeistert? Meiner Meinung nach wird der Technik des Fotografierens oftmals zu viel Aufmerksamkeit geschenkt, während es an der Essenz auf dem Weg zu faszinierenden Landschaftsfotos fehlt: Der Fähigkeit, in der Menge von Eindrücken fertige Fotos zu erkennen.
Inhaltsverzeichnis
Die Suche nach dem Motiv
Beschäftigung mit der Szene
Der erste Schritt zum nachhaltig faszinierenden Landschaftsfoto ist das Eintauchen in die Szene. Ich selbst laufe oft eine Stunde oder länger an einem Ort umher, von dem ich glaube, dass sich darin eines oder mehrere eindrucksvolle Fotos verstecken. Mache es zu deiner Aufgabe, diese Motive in der Szene zu finden. Es ist eine Art Meditation, eine tiefe Beschäftigung mit dem, was man sieht. Man testet verschiedene Standpunkte aus, betrachtet Ausschnitte und stellt sich Fragen wie:
- „Ist es schwarz-weiß?“
- „Ist es eine helle Szene ?“
- „Ist es eine düstere Szene ?“
- „Was genau fasziniert mich daran?“
Diese intensive Beschäftigung mit einer Szene und der Suche nach lohnenden Motiven führt in der Regel entweder dazu, dass ich viele Landschaftsfotos schieße oder nach einiger Zeit entscheide, dass in dieser Szene fotografisch nichts für mich zu holen ist. Dann ziehe ich weiter, ohne Fotos geschossen zu haben. Das Wichtigste und Spannendste findest du meist erst auf den zweiten oder dritten Blick. Nimm dir alle Zeit der Welt dafür, solange danach zu suchen, bis du es gefunden hast oder entspannt abbrechen kannst. Nachhaltig faszinierende Landschaftsfotos entstehen selten aus Schnappschüssen.
Spaziergang oder Foto-Tour – entscheide dich!
Ein Spaziergang – vor allem mit Freunden und Familie – ist meist als „Social Event“ angelegt. Meiner Erfahrung nach ist es da eher ein Glücksfall, wenn man dabei ein nachhaltig beeindruckendes Foto schießt. Das gleiche gilt für eine Radtour, eine Bootsfahrt und Ähnliches. Ein Landschaftsfoto braucht Zeit zum Entstehen, also auch häufiges Stehenbleiben, länger an einem Ort verweilen, das Ändern der Standpunkte und die Beschäftigung mit der Belichtung. Dazu hat man selten die Ruhe, wenn Freunde und Familie zum Weitergehen drängen.
Beschränke dich auf so einer Tour auf schöne Schnappschüsse von deinen Begleitern und freue dich, wenn mal ein imposantes Landschaftsfoto dabei ist – aber rechne besser nicht damit! Meine besten Fotos entstehen beim Wandern (obwohl ich auch sehr gerne mit dem Rad fahre). Es bewahrheitet sich die alte Weisheit, dass man nur dort wirklich war, wo man gewandert ist.
Sehe deine Stadt wie ein Tourist
Eine schöne Übung dafür, wie aus Motiven tolle Fotos werden können ist die folgende: Gehe durch deine Stadt, dein Dorf oder durch eine Gegend, die du gut kennst, wie ein Tourist. Schaue in jeden Winkel, an dem du vorbei kommst, betrachte selbst scheinbare Banalitäten. Überlege dir, was es hier Interessantes zu sehen gibt. Beschäftige dich mit der Szene, die du siehst. Betrachte sie durch den Monitor deiner Kamera. Verändere die Brennweite, spiele mit Bildausschnitten, belichte über, belichte unter und schau, wie das Ergebnis auf dich wirkt.
Ist die Szene wirklich ein interessantes Farbfoto, oder wäre es in schwarz-weiß vielleicht noch schöner? Wer unmittelbar vor seiner eigenen Haustür keine guten Fotos machen kann, der kann es auch woanders nicht. Das einzige, das wechselt, sind die Motive, aus denen man gute Fotos erstellen kann. Für uns Westeuropäer ist natürlich eine Straßenszene im fernen Orient ein „tolles Motiv“. Für den Orientalen, der dort lebt, ist es einfach der banale Alltag. Versuche also stets mehr als den „Banalen Alltag“ einzufangen.
Einfangen der Motive und das Spiel mit Technik
Setze dein Landschaftsfoto in Szene
Gerade bei Landschaftsfotos ist es besonders wichtig, das fertige Bild zu gestalten, zu inszenieren. Anders als z.B. bei Portraitaufnahmen im Studio hast Du natürlich keinen Visagisten dabei und niemanden, der sich um die Beleuchtung kümmern kann, aber dennoch kannst Du gestalterischen Einfluss auf das Bild nehmen:
- Kannst du etwas in den Vordergrund nehmen, das dein Motiv einrahmt (eine Astgabel zum Beispiel)?
- Lohnt es sich vielleicht, eine Vordergrundunschärfe zu erzeugen, in dem du aus tiefem Bodenstand über das Herbstlaub fotografierst?
- Wie wirkt sich wohl die Verlängerung der Belichtungszeit auf das fließende Wasser oder die sich bewegenden Wolken aus ?
- Ist vielleicht eine bewusste Unterbelichtung oder Überbelichtung genau das, das die Stimmung erzeugt?
Um diese Fragen zu beantworten gibt es nur eine Möglichkeit: Machen! Um all diese Optionen auch anwenden zu können, ist es aus meiner Sicht unabdingbar, neben deiner Kamera auch immer ein Stativ und eine Auswahl an Graufiltern zur Lichtreduktion dabei zu haben, um auch sehr lange Belichtungszeiten realisieren zu können.
Es ist dein Landschaftsfoto – du darfst machen, was du willst
Immer wieder höre ich solche Weisheiten wie: „Ein Foto muss doch das abbilden, was da ist“ oder „Nur ein natürliches Landschaftsfoto ist ein richtiges Landschaftsfoto“. Ich halte das für ausgemachten Unsinn! Fotografieren kann eine Kunst sein. Dahinter steht dein gestalterischer und kreativer Prozess. Das Endergebnis ist dein Bild – so wie du es schaffen wolltest und geschaffen hast. Der Maßstab dafür, was richtig oder falsch ist, ist allein deine Entscheidung.
Bei der Landschaftsfotografie bedeutet das oft solche Aktionen wie:
- Diesen Ast retuschiere ich später aus dem Bild
- Ich werfe ein paar Steine ins stille Wasser, um die Wasseroberfläche zu kräuseln
- Ein Farbverlaufsfilter bringt Stimmung in den Himmel usw.
Wenn Du also Landschaftsfotos schaffen möchtest, die dir gefallen und andere begeistern, dann mache dich frei von Dogmen und gestalte dein Bild einfach so, wie du es haben willst.
Sei fleißig, wenn du Landschaftsfotos machst
Wenn ich eines gelernt habe, dann dass sich nichts so sehr rächt, wie aus Bequemlichkeit Equipment nicht eingepackt zu haben. Verzichte lieber auf deine Festbrennweiten zugunsten eines hochwertigen Zooms und packe stattdessen auf jeden Fall ein Stativ und diverse Graufilter ein (ich selbst schieße rund 90% meiner Landschaftsfotos mit dem 24-105mm von Sony – dennoch habe ich immer noch mehr Objektive dabei). Fotografiere Landschaftsfotos unbedingt in RAW – so will es das „Gesetz für gute Fotos“. Nur im RAW-Format kannst du all die Bildinfos mitnehmen, die für die spätere Perfektionierung deines Fotos in der digitalen Dunkelkammer nötig sind.
One Lens only – kein Zoom
Der Gottvater der Straßenfotografie, Henry Cartier-Besson, fotografierte seine eigenen Arbeiten ausschließlich mit einem 50mm Objektiv auf seiner Leica. Seine Straßenfotografien sind weltberühmt und werden noch heute zu Höchstpreisen gehandelt. Nur ein Objektiv zu verwenden schult zweierlei: Es lehrt „sehen“, da du gezwungen bist, dich intensiver mit einem Motiv zu beschäftigen. Es lehrt dich „Fleiß“, weil du gezwungen bist, öfter deinen Standpunkt zu tauschen und Varianten desselben Motivs einzufangen.
Mache es dir zur Gewohnheit, immer wieder mal einen Tag lang – oder mehr – nur mit einem einzigen Objektiv zu fotografieren – du wirst überrascht sein, wie sehr das deinen Blick schult. Kreative und erfahrene Fotografen zeichnen sich besonders durch den geschulten Blick für das Bild in der Szene aus. Dieser Blick wird immer besser, je mehr du ihn trainierst.
Bearbeiten in der digitalen Dunkelkammer: Photoshop und Co.
Kontraste, Helligkeiten, Tönung, Bildformat
Nach dem Fotografieren ist „vor dem fertigen Bild“. Nachdem du die oben beschriebene Arbeit draußen hinter dich gebracht, beginnt der letzte Schritt auf deinem Weg zum fertigen Landschaftsfoto: Die Arbeit in der digitalen Dunkelkammer. Hier wird Deine Szene endgültig zum fertigen Bild. Diesem Thema könnte man hunderte Artikel alleine widmen und ich will das auch nicht vertiefen, weil es diese Artikel bereits gibt.
Ein paar Botschaften sind mir aber besonders wichtig, die ich dir mitgeben möchte:
- Ein Schwarz-Weiß-Foto ist viel mehr, als ein einfach von Farbe in schwarz-weiß umgewandeltes Bild. Um ein faszinierendes Schwarz-Weiß-Foto zu erzeugen musst du Dich intensiv mit der RAW-Bearbeitung in der digitalen Dunkelkammer beschäftigen: Die Bearbeitung unterschiedlicher Tonwerte, die Arbeit an Kontrasten und Nachbelichtungen sind unabdingbares Grundhandwerk für ernsthafte SW-Fotos. Ich selbst entscheide in der Regel schon beim Fotografieren, dass ich ein Schwarz-Weiß-Foto kreieren möchte.
- Einfach nur hochgedrehte Farbregler machen noch kein gutes Farbfoto aus.
- Das Bildformat hat entscheidenden Einfluss auf dein fertiges Foto: Teste das gleiche Bild als Panoramaausschnitt (z.B. 16:9), als 4:5, 5:7, 2:3 und als Quadrat. Du wirst überrascht sein, was das mit deinem Bild macht.
- Übe Dich in den Gesetzen der Bildgestaltung: Führende Linien, Drittel-Regel und der Goldene Schnitt sind wichtige Aspekte für die Wirkung Deines fertigen Fotos.
Fazit
Um es mit den Worten des Gottvaters der Landschaftsfotografie in schwarz-weiß, Ansel Adams zu sagen:
„Zwölf gute Fotos in einem Jahr sind eine gute Ausbeute!“
Von der Szene zum fertigen, ernst zu nehmenden Landschaftsfoto ist es ein weiter Weg. Nur sehr selten gelingt ein hochwertiges Landschaftsfoto als Schnappschuss.
Die Qualität der Kamera ist für das Endergebnis viel weniger entscheidend, als die Beschäftigung mit der Szene, der Suche nach lohnenden Motiven darin und deiner Entscheidung, die darin enthaltenen Schätze mit allen Mitteln zu bergen. Es braucht eben Zeit und Sorgfalt, um ein beeindruckendes Landschaftsfoto zu kreieren.
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