Motion Blur | Fotografieren mit Bewegungsunschärfe
Von Motion Blur oder Bewegungsunschärfe spricht man in der Fotografie, wenn in Bildern gezeigte Bewegungen gezielt unscharf oder verschwommen dargestellt werden. Motion Blur ist eine grossartige Technik, um Bewegung in deinen Bildern festzuhalten und diese noch lebendiger und interessanter wirken zu lassen. In diesem Artikel findest du einige einfache Tipps und Tricks zum Thema Bewegungsunschärfe, die dir bei deinen eigenen Fotos helfen werden.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Motion Blur?
Mit Motion Blur ist ein Teil des Bildes scharf, der andere Teil zeigt die Bewegung. In einem einzigen Foto mit Motion Blur ein Gefühl von Bewegung zu vermitteln, ist eine der anspruchsvollsten Herausforderungen in der Fotografie. Mit einem Standbild frieren wir ja schliesslich im Wesentlichen nur einen einzelnen kurzen Moment ein. Alles was zu diesem Moment geführt hat, und alles was danach kommt, geht verloren. Wenn wir kurze Verschlusszeiten verwenden, können unsere Kameras ganze Ereignisse in präzise Einzelbilder zerlegen, die eine Geschichte in Hundertstel und Tausendstel einer Sekunden erzählen. Nirgendwo sind kurze Verschlusszeiten häufiger als in der Sport- und Tierfotografie. Dort ist der Einsatz von kurzen Verschlusszeiten fast schon unerlässlich, denn Ziel ist es das bewegte Motiv wenn möglich im perfekten Augenblick festzuhalten. Lies dazu auch unsere Tipps zum fotografieren von bewegten Motiven.
Das Problem beim Erzählen einer Geschichte in Hundertstel und Tausendstel einer Sekunde besteht darin, dass das Motiv bei so kurzen Verschlusszeiten perfekt an Ort und Stelle eingefroren wird – so vermittelt das Einzelbild kein Gefühl von Bewegung mehr. Um dem entgegenzuwirken, verwenden wir Motion Blur und eine weitere ähnliche Technik, welche sich «Mitziehen» oder auch «Panning» (engl.) nennt. Dazu später mehr.
Wie entsteht Bewegungsunschärfe?
Bewegungsunschärfe oder Motion Blur entstehen beim Fotografieren, wenn sich ein Objekt während der Belichtung bewegt. Durch diese Bewegung hinterlässt das Objekt auf dem Bild streifenähnliche verschwommene Stellen. Wenn du deine Kamera während der Belichtung bewegst, entsteht natürlich ebenfalls Bewegungsunschärfe. Je länger die Belichtungszeit, desto stärker wird die Unschärfe. Im Unterschied zu einer offenen Blende, die eine geringe Tiefenschärfe erzeugt, bleibt bei dieser Technik das Gefühl der Bewegung erhalten.
Der Unterschied zum «Mitziehen»
Von «Mitziehen» oder «Panning» spricht man, wenn du mit deiner Kamera ein Motiv verfolgst, also quasi mit ihm mitschwenkst. Dabei hältst du das Motiv immer an derselben Stelle im Sucher, während dieses sich entlang einer Bewegungsebene verschiebt. Das Motiv kann alles sein, von einem Läufer auf einer Rennstrecke bis hin zu einem fliegenden Vogel. Am besten funktioniert es aber, wenn sich dein Motiv entlang einer horizontalen Ebene bewegt.
Kennst du schon meine 52 weltbesten Spickzettel?
Du kannst die beiden Techniken auch kombinieren, indem du beim Fotografieren mit einem Objekt mitziehst und gleichzeitig die Belichtungszeit etwas länger einstellst. Man spricht von «Panning with Motion Blur». Du kannst damit ein Bild erzeugen, bei dem ein Teil des Motivs scharf ist, während der Rest des Bildes verschwommen und gestreift ist. Dadurch entsteht ein visuelles Gefühl der Bewegung.
Dieser Artikel geht nun noch genauer auf das Thema Bewegungsunschärfe ein und erklärt dir, wie du damit dynamischere Bilder erzeugen kannst.
Wann verwendet man Bewegungsunschärfe
Viele Fotografen versuchen Bewegung nur gezielt darzustellen, wenn sie Sportler oder andere sich schnellbewegende Objekte ablichten.
Natürlich gibt es im Bereich der Sportfotografie auch sehr viele Möglichkeiten, Bewegung abzubilden. Allerdings kannst du in praktisch allen Arten der Fotografie von Bewegungsunschärfe profitieren. Es lohnt sich, auch nur schon kleine und unauffällige Bewegungen zu betonen, wie zum Beispiel den Fluss eines Wasserfalls oder einer Bucht.
Einige Tipps für die Darstellung von Bewegungsunschärfe:
1. Vergrössere deine Verschlusszeit
Wie bereits erwähnt, entsteht Motion Blur, wenn sich dein Motiv während der Belichtung bewegt. Die Verschlusszeit muss nun also einfach lange genug sein, dass dein Bildsensor die Bewegung registrieren und abbilden kann.
Der wichtigste Faktor bei der Aufnahme von Bewegungen in einem Bild ist daher die Länge der Verschlusszeit.
Wenn du eine sehr kurze Verschlusszeit wählst (z. B. 1/4000 Sekunde), wird der Bildsensor nicht viel Bewegung erkennen (es sei denn, dein Motiv bewegt sich extrem schnell). Stellst du eine sehr lange Verschlusszeit ein (z. B. 5 Sekunden), muss sich dein Motiv kaum bewegen und du kannst trotzdem schon eine gewisse Unschärfe feststellen.
Wie lange sollte die Verschlusszeit nun sein? Natürlich ist dies abhängig von der Geschwindigkeit deines Motivs. Eine sich bewegende Schnecke und ein fahrender Rennwagen liefern bei gleicher Verschlusszeit sehr unterschiedliche Ergebnisse. Ein paar Beispiele findest du in unserem Tutorial, das sich mit dem Fotografieren von Autos auseinandersetzt.
Wovon wird die Verschlusszeit beeinflusst?
Es gibt noch einen weiteren wichtigen Faktor, von welchem die Länge der idealen Verschlusszeit abhängig ist. Je nachdem wie viel Licht in einer Szene vorhanden ist, musst du die Verschlusszeit anpassen. Durch eine längere Verschlusszeit gelangt mehr Licht auf den Sensor, was dazu führen kann, dass deine Aufnahme blass und überbelichtet wirkt. Du wirst später noch einige Möglichkeiten kennenlernen, die es dir erlauben eine lange Verschlusszeit einzustellen, ohne dass das Foto überbelichtet wird.
Wie lange sollte die Verschlusszeit nun also sein, damit die Bewegungsunschärfe schön sichtbar wird? Darauf gibt es leider keine eindeutige Antwort. Die Geschwindigkeit deines Motivs und das vorhandene Umgebungslicht lassen die ideale Verschlusszeit stark variieren. Am besten experimentierst du ein bisschen. Wenn du eine Digitalkamera verwendest, kannst du ja schliesslich ganz viele Bilder schiessen und sie auch gleich wieder löschen, falls das Ergebnis noch nicht perfekt ist.
2. Stabilisiere deine Kamera
Wie weiter oben beschrieben, gibt es mehrere Techniken um eine gewisse Bewegungsunschärfe in Bildern zu erzeugen: Entweder das Motiv bewegt sich während der Belichtung oder du bewegst deine Kamera während der Belichtung («Mitziehen»).
Wenn die Bewegungsunschärfe durch Bewegung des Motivs entstehen soll, ist es extrem wichtig, dass deine Kamera während dem Fotografieren stabil steht. Bewegt sich die Kamera während der Belichtung, kommt es zu Verwackelungen. Wie lange du „aus der Hand fotografieren“ kannst, kannst du hier nachlesen (auch die Brennweite spielt dabei eine Rolle). Dadurch wirkt das ganze Bild unscharf und nicht nur der Teil, in welchem die Bewegung des Objekts dargestellt werden soll. Egal ob du ein Stativ verwendest oder deine Kamera auf einer geeigneten Oberfläche platzierst, du musst sichergehen, dass sie sich während der Aufnahme nicht bewegt. Selbstauslöser oder andere Auslösemechanismen wie zum Beispiel ein Fernauslöser können dir zusätzlich helfen.
3. Versuchs mit dem Modus „Blendenautomatik“
Wie du sicher schon bemerkt hast, ist die Verschlusszeit einer der entscheidenden Faktoren bei der Aufnahme von Bildern mit Bewegungsunschärfe. Bereits kleine Änderungen der Verschlusszeit haben einen großen Einfluss auf das Resultat – deshalb macht es Sinn, einen Kameramodus zu verwenden, der dir volle Kontrolle darüber gibt.
Das bedeutet, dass du deine Kamera entweder in den manuellen Modus oder auf Blendenautomatik (engl. auch «Shutter Priority Mode») einstellen solltest. Wenn du die Blendenautomatik verwendest, kannst du die Verschlusszeit manuell wählen. Alles andere (z. B. ISO und Blende) stellt die Kamera automatisch ein, um sicherzustellen, dass ein gut belichtetes Bild entsteht. Dieser Modus eignet sich super, um etwas herum zu experimentieren: Du kannst mit der Verschlusszeit variieren, bis dir die entstandene Bewegungsunschärfe gefällt. Währenddessen sorgt die Automatik dafür, dass die Bilder trotzdem immer sauber belichtet werden.
Natürlich kannst du auch den manuellen Modus verwenden und die richtige Kombination von Verschlusszeit und allen weiteren Einstellungen selber wählen.
Überbelichtung bei langen Verschlusszeiten verhindern
Wie weiter oben bereits erwähnt, können die langen Verschlusszeiten, welche zu Motion Blur führen, zu einem Problem werden. Sie erzeugen nämlich nicht nur Bewegungsunschärfe, sondern sie sorgen auch dafür, dass sehr viel Licht auf den Bildsensor gelangt. Wenn du dies nicht mit anderen Einstellungen kompensierst, führt das zu überbelichteten Aufnahmen.
Im Anschluss findest du drei Methoden, welche du verwenden kannst, um Überbelichtung zu verhindern. Eine vierte Methode ist es, ganz einfach zu warten, bis die Lichtverhältnisse draussen ideal sind (zum Beispiel während der Dämmerung). Aus diesem Grund werden viele Aufnahmen die Motion Blur beinhalten, nachts oder in der Morgen- und Abenddämmerung gemacht.
1. Kleine Blende wählen
Wie kannst du die Menge an Licht, welches auf deinen Bildsensor gelangt, reduzieren? Eine sinnvolle Möglichkeit wäre es sicher, die Grösse der Öffnung, durch welche das Licht in die Kamera gerät, zu verkleinern. Die Blende ist für die Grösse dieser Öffnung zuständig. Wählst du eine kleine Blende, gelangt wenig licht auf den Bildsensor.
Falls du wie oben beschrieben, die Blendenautomatik verwendest, wählt die Kamera automatisch die passende Blende. Fotografierst du im manuellen Modus, musst du diese Einstellung selber vornehmen. Proportional zur Verschlusszeit musst du also auch die richtige Blende wählen. Je länger du belichtest, desto kleiner muss die Blende sein.
Wie stelle ich die richtige Blende ein?
Das richtige Einstellen der Blende ist zum Glück nicht so schwer, wie du vielleicht denkst. Verschlusszeit und Blendeneinstellungen sind in «Stops» organisiert (deutsch auch «Blendenstufen»). Wenn du die Verschlusszeit um einen «Stop» vergrösserst, verdoppelst du damit die Öffnungszeit des Verschlusses (z. B. von 1/250s auf 1/125s). Das Gleiche gilt für die Blendeneinstellungen – wenn du die Blende um einen «Stop» verringerst, verkleinert sich die Grösse der Verschlussöffnung um 50 %. Das ist natürlich ein äusserst praktisches System: Veränderst du eine Einstellung um einen «Stop» kannst du dies kompensieren, indem du die andere Einstellung ebenfalls um einen «Stop» anpasst und erhältst immer noch ein gut belichtetes Bild.
2. Verkleinere den ISO-Wert
Eine weitere Möglichkeit, das zusätzliche Licht von der langen Verschlusszeit zu kompensieren, besteht in der Anpassung der ISO-Einstellungen deiner Kamera. Der ISO-Wert beeinflusst die Lichtempfindlichkeit des Bildsensors deiner Digitalkamera. Eine höhere Zahl macht ihn lichtempfindlicher und eine niedrigere Zahl macht den Sensor weniger empfindlich. Wähle also ganz einfach einen tiefen ISO-Wert, um längere Verschlusszeiten für mehr Bewegungsunschärfe verwenden zu können.
3. Versuchs mit einem Neutraldichtefilter
Neutraldichtefilter Filter reduzieren die Menge an Licht, das durch dein Objektiv in deine Kamera gelangt. Dies ermöglicht es dir, Verschlusszeiten zu verwenden, welche für Motion Blur geeignet sind. Am besten liest du hier unsere ND-Filter Zusammenfassung.
Du kannst dir einen solchen Filter wie eine Art Sonnenbrille vorstellen, die du deiner Kamera aufsetzt (tatsächlich haben gewisse Leute anscheinend für diesen Zweck auch schon Sonnenbrillen verwendet, weil sie keinen ND-Filter zur Hand hatten).
Wenn du beispielsweise eine Landschaft in einer hell beleuchteten Umgebung aufnehmen möchtest und dabei trotzdem eine Verschlusszeit von ca. einer Sekunde oder noch mehr wählst, erhältst du mit hoher Wahrscheinlichkeit ein überbelichtetes Bild. Ein ND-Filter kann in diesem Fall das Bild abdunkeln, damit das Resultat ausgewogener wird.
Wenn du irgendwo ein Foto mit Motion Blur-Effekt siehst, welches am helllichten Tag aufgenommen wurde, hat der Fotograf wahrscheinlich einen ND-Filter verwendet.
Alternative Filter
Eine weitere Filter-Art, die eine ähnliche Wirkung haben kann, ist der Polarisationsfilter. Denk jedoch daran, dass Polarisationsfilter dein Bild auch anderweitig verändern. Beispielsweise verringern diese Reflexionen und können sogar beeinflussen, in welcher Farbe der Himmel dargestellt wird – eventuell ist das der Look, den du für deine Aufnahme möchtest, aber vielleicht eben auch nicht.
Slow Sync Flash
Slow Sync Flash ist eine weitere Technik, mit der du im Zusammenhang mit Motion Blur herumexperimentieren kannst. Diese kombiniert längere Verschlusszeiten mit dem Einsatz eines Blitzes. Durch den Blitz erscheinen einige Elemente in der Aufnahme unbewegt und wie eingefroren, während bei anderen trotzdem noch Bewegungsunschärfe sichtbar ist.
Motion Blur durch Bearbeitung hinzufügen
Es ist möglich, Bewegungsunschärfe in der Nachbearbeitung hinzuzufügen. Dafür kannst du eine Bildbearbeitungssoftware wie zum Beispiel Photoshop oder eine Alternative dazu verwenden.
So geht’s mit Photoshop:
- Importiere dein Foto in Photoshop.
- Wähle zum Beispiel mit dem Schnellauswahl-Werkzeug den Teil des Bildes aus, den du verschwimmen lassen möchtest.
- In der oberen Toolbar kannst du auswählen:
Filter > Weichzeichnungsfilter > Bewegungsunschärfe. - Wähle den Winkel und die Stärke der Unschärfe im Fenster.
- Klicke auf «Akzeptieren» und die Bewegungsunschärfe wird hinzugefügt.
Zum Schluss
Egal ob versuchst Wildtiere in der afrikanischen Savanne abzulichten, oder Autos in einem Rennen, Motion Blur ist ein grossartiges Werkzeug für jeden Fotografen. Wie du gesehen hast, funktioniert es auch ganz einfach. Lies als nächstes unsere Tipps für gestochen scharfe Fotos!
Probier’s aus und schau, wie’s dir gefällt!
0 Gedanken und Fragen