Reife Männerportraits ausserhalb des Klischees ablichten
Männerportraits sollen meiner Meinung nach die Emanzipation des Mannes fordern. Mit meiner Fotografie möchte ich das Klischee von reifen Männern mit weissen Socken in Sandalen vergessen lassen und hervorheben, dass die Zeit da ist für die Männer, welche sich bislang hinter diesem Klischee versteckt haben.
Inhaltsverzeichnis
Weisse Socken und Sandalen
Die Fotografie offenbarte sich mir schon vor vielen Jahren. 1979, um genau zu sein. Ich fuhr mit meinen Eltern in den Urlaub, um Tante Hilda und Onkel Willi zu besuchen. Der Onkel meines Vaters kam eines Morgens mit einer grossen Ledertasche um die Ecke und stellte sie meinem Vater vor die Füsse. Darin befand sich eine Voigtländer Bessamatic in einer braunen Kameratasche. Dazu kamen noch ein paar Objektive. Ich fand dieses Schmuckstück klasse – dieses Metallgehäuse mit dem abgesetzten schwarzen Leder, die Form, die Details – da stimmte einfach alles. Kennt ihr dass, wenn sich in einem bestimmten Moment die Nackenhaare aufstellen und sich die Fussnägel aufrollen? Genau diesen Moment erlebte ich damals auch, denn da stand nun Onkel Willi mit seinen kurzen Hosen, den weissen Socken und den braunen Sandalen – und vor diesem erschreckenden Mix hielt ich diese faszinierende Kamera in der Hand. Ich war zwar selber noch ein kleiner Junge, aber dieser Moment meisselte sich in mein Gedächtnis und prägte meine jetzige Arbeit, wenn ich Männerportraits ablichte.
Es verging einige Zeit, in der ich leider erst einmal nicht die Möglichkeit hatte, die Kamera nutzen zu dürfen. Die Gelegenheit meinem Vater beim Fotografieren über die Schulter zu schauen, kam dann erst einige Jahre später und ich nutzte danach jeden Moment dazu. Von ihm zu lernen, wie man mit dieser auch dort schon älteren Technik umgeht, die Einstellungen wie die Blende, und Belichtungszeit zu begreifen und sie dann auch mit der Bessamatic umsetzen zu können – das war für mich ein fantastischer und einzigartiger Moment. Das alles zusammen war dann auch der Augenblick, der mich zur Fotografie gebracht hat und mich bis heute fesselt und nie wieder loslassen wird.
Männerportraits in rauem Stil
Mein Bildstil bei Männerportraits ist einfach ein etwas anderer Stil als üblich. Das war nicht immer so, aber in den letzten Jahren hat sich da einiges in meinem Kopf getan und entwickelt. Ich habe Menschen um mich herum älter werden sehen, teilweise leider auch krank – manche sind wieder gesund geworden, manche nicht. Ich habe meine Eltern verloren, jeden von ihnen plötzlich und unerwartet. Genau das hat meine Sichtweise geprägt und so betrachte ich die Menschen um mich herum. Ich sehe wie vergänglich doch alles scheint, aber nicht unbedingt vergänglich sein muss, denn ich habe es in der Hand – die guten Momente für immer festzuhalten. Und das ist das Besondere an der Fotografie für mich.
Wie im folgenden Bild „The old man with pipe“. Dieser Ausdruck in den Augen, die so müde wirken, aber dennoch so viel Kraft ausstrahlen. Seine vom Leben gezeichnete Haut, die bestimmt sehr viele Geschichten zu erzählen hat und die ich im Männerportrait gerne zeige, herausarbeite und sogar noch verstärken möchte. Beim Betrachten dieses Bildes stellen sich dir vielleicht folgende Fragen:
Kennst du schon meine 52 weltbesten Spickzettel?
- Ob er wohl zur See gefahren ist, Schuhmacher war, oder doch eher Buchhalter?
- Wie und wo ist dieses Foto entstanden?
- Steckte da viel Planung dahinter und war der Aufwand gross?
Ganz ehrlich? Dieses Foto ist zwischen Tür und Angel entstanden. In einer Garage zwischen Werkzeugen, Farben und Ölen in den Regalen und das innerhalb von wenigen Minuten.
Requisiten sind nicht nur Requisiten
Natürlich können Männerportraits nicht immer nur „zwischendurch“ entstehen, denn oft bedarf es einiger Organisation. Der Ort, beziehungsweise die Kulisse muss dann vorab ausgesucht werden, der Hintergrund sollte festgelegt sein, die Kleidung wurde richtig zusammengestellt und Posen sind ausprobiert worden. Das Alles spiele ich in meinem Kopf durch und versuche daraus ein Bild zu formen, bis Alles sitzt und passt. Das lustige dabei? In vielen dieser Momente habe ich noch gar kein Model/Kunden für diese Gedanken und Planungen zur Verfügung. Das ist aber auch nicht weiter schlimm, denn es wird der Augenblick kommen, in dem ich genau diese vorab zusammengesetzten Ideen aus meinem Hinterstübchen hervorbringe, abstaube und dann in Szene setze, weil es genau bei diesem einen Menschen stimmt und wie für ihn gemacht ist.
Ebenso finde ich es noch spannender, wenn Kunden zusätzlich ihre eigenen Dinge und Ideen mit einbringen. Alte Erbstücke oder Kleider, die sie ausmachen und ihnen wichtig sind. Dinge, die ihre Persönlichkeit unterstreichen. Eine Mütze, Pfeife, eine alte Laterne oder ein altes Spinnrad. Ein alter Siegelring, eine Tabakdose vom Grossvater, ein Medaillon der Grossmutter, ein altes Kleidungsstück oder altes Werkzeug. Das alles sind Requisiten, die ich hier und dort gesammelt habe. Dafür bin ich gerne auf Flohmärkten unterwegs, aber auch bei Freunden und Bekannten und auch schon mal bei einer Wohnungsauflösung bin ich fündig geworden. Irgendwie rattert es dann schon wieder in meinem Kopf und ich überlege dann, wo und wie ich diese Requisiten in meine Männerportraits mit einarbeiten kann und wie es wohl das Leben und das Gefühl im Bilder vermittelt. Denn genau das ist einer dieser Punkte, den ich mit meinen Bildern in jedem wecken möchte.
Regeln sind Regeln…oder eben auch nicht
Zum Thema Regeln gehören für mich solche Dinge wie zum Beispiel der Goldene-Schnitt oder die Drittelregel. Es ist wichtig diese Regeln zu kennen, aber immer angewendet werden müssen sie eben nicht. Die Freiheit, die ich mir bei den Fotos nehmen kann, um mich gestalterisch und künstlerisch zu verwirklichen, das ist meine persönliche Regel. Dennoch gibt es einen Punkt, den ich von Anfang an immer anwende: Probieren, probieren und abermals probieren und schon hast du deine eigene „Regeln“ ausgearbeitet – und der Rest regelt sich von alleine. 😉
Ich bin auch nicht der typische Fotograf, der eine Anweisung nach der Anderen ausspricht. Da nehme ich mich gerne zurück. Ich möchte den Menschen vor der Kamera ihre persönliche Geschichte erzählen lassen. Zum Beispiel werde ich sicherlich nicht von einer Veganerin erwarten, dass sie das Wurstbrot freundlich anlächelt. Mir persönlich ist es wichtig mit dem Model/Kunden ein Ergebnis zu erzielen, das alle Beteiligten glücklich macht und authentisch rüberkommt. Meiner Meinung nach einer der Punkte, der öfters übersehen wird.
Der Kunde soll sich bewegen, agieren, schauen und sich dabei Wohlfühlen. Die wahre Persönlichkeit und die Schönheit, sind meiner Meinung nach nur dann zu sehen. Und genau in diesen Momenten entstehen diese Art Fotos, die ich selber so sehr mag und die meine Kunden ebenfalls mögen. Solche Ergebnisse kommen oft dann zustande, wenn der Kunde nicht mehr merkt, dass der Fotograf überhaupt noch da ist und Fotos macht. Probier es aus.
Ich fordere die Emanzipation des Mannes 😉
Hört sich bestimmt witzig an, aber irgendwie auch nicht. Denn da sind sie wieder – die weissen Socken mit den Sandalen. Dieses prägende Bild hat sich seit dieser Zeit bei mir verankert. Gerade in dem Bereich ü50 geht es gerne damit los. Wir Männer neigen schnell dazu, uns gehen zu lassen – oder? Das sollten wir lassen, denn da sind uns die Frauen weit voraus – die Emanzipation des Stils.
Ich habe so einige Frauen ü50 fotografiert und musste oft feststellen – wow, da weiss sich aber Jemand zu präsentieren und beweist grandiosen Geschmack. Das fehlt mir oft bei den Männern ü50, denn dann wird es auch schwer den Typ Mann auch als Mann abzubilden. Es bereitet mir wahnsinnigen Spass und Freude Männerportraits zu fotografieren, denn dort habe ich sehr tolle Möglichkeiten mit dem „rauen Look“ oder auch vielleicht ein wenig „antikem Look“, mit dem ich so gerne arbeite.
Perspektivische Fotografie
Das folgende Bild umschreibt die perspektivische Fotografie für mich sehr gut. Die Perspektive und die Sichtweise, welche ich mir bei diesem Foto vorgestellt hatte, lautete wie folgt:
- Was möchte ich mit diesem Männerportrait erzählen? Kann ich etwas ungewöhnliches portraitieren?
- Wie ist die Umgebung?
- Welche Requisiten setze ich ein?
- Welcher Typ Mann passt zu diesem Männerportrait?
- Welchen Look verkörpert das Model am besten?
Und dann kam es zum Fotoshooting. Die Umgebung war perfekt, denn das Shooting fand bei ihm zu Hause statt. Hierbei handelte es sich um einen „Vier-Seiten-Hof“ mit tollen Möglichkeiten. Holzscheite, eine Axt und der passende „Typ“ dazu – einfach perfekt! Ich habe mich Rücklinks auf den Boden gelegt und nur kurz den Satz ausgesprochen: „Mach einfach!“ Und er machte es sehr gut. Wie sich das Holz spaltet im Vordergrund schön in der Unschärfe zu sehen, aber das Gesicht des Mannes scharf abgelichtet und trotzdem bildet es für mich eine Symbiose und es entsprach genau dem perfekten Bild – so wie ich es im Kopf hatte. Danach folgte der Feinschliff. Ein wenig, aber nicht zu viel während der Bildbearbeitung an den Reglern gedreht und am Ende waren beide Parteien absolut glücklich mit dem Ergebnis.
Männerportraits mit Wirkung
Abschliessend möchte ich euch nochmal ein Beispiel aufzeigen, wie die etwas anderen Männerportraits ausserhalb jeglicher Klischees, ihre Wirkung in der Fotografie entwickelt haben – so, wie es vor einigen Jahren wohl nicht gewollt gewesen wäre.
Dieses Bild entstand in einer kleinen Hobbywerkstatt und es gab keine Vorgaben für etwas Bestimmtes, sondern sollte einfach ein „people at work“ Projekt sein. Dieses Foto wurde zusätzlich für eine Bewerbung genommen. Der Chef, der diese Bewerbung auf den Tisch bekam, war völlig begeistert davon und die Einstellung erfolgte prompt.
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